Es scheint auch einen Unterschied zu machen, ob Vollkorn oder nicht. Messe ich den pH-Wert im Urin im Rahmen meines mor- gendlichen Selbstversuchs, wirkt Vollkorn weit weniger säuernd als Produkte aus Auszugsmehlen und polierter Reis. Vollkorn hat 3- bis 4-mal mehr Kalium und sogar 4- bis 5-mal mehr Magnesium als Weißmehl! Das mag wohl einer der Gründe für die weniger stark säuernde Wirkung von Vollkorn sein, auch bei Verwendung ver- meintlich „säuernder“ Zerealien. Man kann also Getreide nicht per se als säuernd verteufeln, sondern muss sie an dieser Stelle etwas differenzierter betrachten. Dieses Wissen ist auch in unser neues Basen-Müsli eingefl ossen, in dem vor allem basisch wirkende Getreide rein auf Vollkornfl ocken- basis verwendet werden. Es hat einen eher moderaten Protein- gehalt und kombiniert man es mit frischen Früchten oder frisch gepresstem Karottensaft (mein persönliches Highlight!), ist es ein basischer und genussreicher Start in den Morgen. Die Balance ist entscheidend Es geht nicht darum, einseitig Lebensmittel zu verdammen und nur noch Obst und Gemüse zu essen, sondern um die Balance, die für ein optimales Funktionieren unserer Körpers und seiner Gesund- heit sowie dem damit verbundenen guten Lebensgefühl richtig sind. Vielleicht wirken einige Getreide säuernder als andere – aber sie bringen uns zugleich viel Eiweiß, gute Energieträger (komplexe Kohlenhydrate) sowie wichtige B-Vitamine, Eisen und Zink. Gleich- zeitig, wenn wir Obst und Gemüse dazu essen, kompensieren wir einerseits die Säuren, anderseits nehmen wir durch Vitamin C aus Obst und Gemüse Eisen und Zink besser auf. Dadurch, dass Ze- realien um das 2- bis 5-fache weniger an säuernden Komponenten enthalten, sind folglich auch weniger basenbildende Lebensmittel notwendig, um die Balance wieder herzustellen oder auf- recht zu erhalten als beim Verzehr von Fisch und Fleisch. N E U | 25 Der Zitrat-Zyklus Wie kann es sein, dass eine Säure „basisch wirkt“? Ist das nicht ein Widerspruch? Nein, das ist metabolisch be- gründet: Zitronensäure wird im sogenannten Zitratzyklus verstoffwechselt. Dabei wird sie über Zwischenstufen zu CO2 abgebaut. Das hieraus resultierende metabolische CO2 wird in seine wasserlösliche, ionische Form umgewandelt, dem Bicar- bonat, auch Hydrogencarbonat (HCO3) genannt. Bicarbonat ist eine Base. Sie kann ein weiteres säuerndes H+- Ion einfangen und wandelt sich dann zu Kohlensäure um, die als CO2 ganz einfach über unsere Lungen abgeatmet wird. Bei dieser Reaktion bleibt lediglich Wasser übrig. So werden über einen metabolisch ausgeklügelten Mechanismus überschüs- sige Säuren (H+-Ionen) abgebaut und unter anderem in Form von CO2 über unsere Lungen abgeatmet. Daher hilft auch Be- wegung an frischer Luft so gut beim Abbau von Säuren. In den Zitratzyklus fl ießen weitere Fruchtsäuren ein, wie die Äpfelsäure, die Fumarsäure, aber auch die Abbauprodukte von Aminosäuren wie der Glutaminsäure. Die Zitronensäure hat über den Zitratzyklus also eine wichtige, alkalisierende Funk- tion. Und so erklärt sich, warum so saure Lebensmittel wie Zi- tronen überaus basisch auf den Körper wirken. Übrigens: Mineralwässer, die besonders viel Hydrogencarbonat enthalten, wirken ebenfalls sehr basisch auf unseren Stoffwechsel! Stephen Sven Hubbes Dipl. Ing. (FH) Lebensmitteltechnologie, Master of Science „Con- sumer Science“ und Produktentwickler bei Rapunzel, führt derzeit eine berufsbegleitende Promotion im Feld der Lebensmittelver- fahrenstechnik an der TU München/Weihenstephan durch. Er lebt seit über 5 Jahren vegan und legt viel Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Säuren und Basen. Literatur › Adeva, M.M.; Suoto, G. (2011): Diet-induced metabolic acidosis. In: Clinical Nutrition, 30, 416–421. › Breslau, N.A.; Brinkley, L.; Hill, K.D.; Pak, C.Y. (1988): Relationship of animal protein-rich diet to kidney stone formation and calcium metabolism. 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